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Jüdische Geschichte

von Willi Fischer, Heimatverein Krumbach

Herbert Auer

Referent für Jüdische Geschichte

  • Herbert Auer
  • Elektroniktechniker
  • verheiratet, 1 Kind
  • Telefon: (0 82 82) 24 96

Israelischer Friedhof Krumbach-Hürben

Seit dem Mittelalter mussten die Hürbener Juden ihre Toten zum zentralen Jüdischen Friedhof der Markgrafschaft Burgau im Norden der Stadt Burgau verbringen und dort beerdigen. Auf Druck der dortigen Bevölkerung und nach langem, zähem Ringen der Hürbener Juden erhielten diese am 6. November 1628  die Erlaubnis, ihre Verstorbenen am Ort zu beerdigen. Auf Anordnung von Erzherzog Leopold wies der markgräfliche Vogt Johann Weber von Krumbach im darauf folgenden Jahr einen Begräbnisplatz im „Schelmenloh“, in der Gemarkung. Hürben, nördlich des Weges ins Krumbad aus, mit einer Fläche von 0,33 ha.1832 und noch einmal 1852 kaufte die Hürbener Judengemeinde jeweils einen anliegenden Grasplatz zur Erweiterung des bestehenden Friedhofs hinzu. Der jeweilige Friedhofsbereich war von Anfang an umfriedet und nur durch ein Tor zugänglich. Wann die heute das Areal umgebende Mauer errichtet wurde, ist nicht bekannt. Das Toten - oder „Tahara – Haus“ entstand 1898.

Israelischer Friedhof Krumbach-Hürben Grabmale des Israelischen Friedhofs Krumbach-Hürben Das vom Heimatverein Krumbach am 7. Mai 2004 an die Stadt Krumbach übergebene Synagogendenkmal im Winter

Die letzte jüdische Beerdigung war die, der am 19. Juli 1948 in einem Altenheim  in München verstorbenen Frau Bella Weißkopf, geb. Kahn aus Stuttgart, deren Ehemann Isaak hier bereits seit 1939 ruhte.

"Dieses Haus soll ein Gebetshaus heissen allen Völker"

Hürbener Synagoge von OstenDiese hebräische Inschrift nach Jesaja 56,8 befand sich einst an der Ostseite der Hübener Synagoge über dem nördlichen Fenster. Eine weitere Inschrift in Hebräisch war über dem südlichen Fenster der Ostseite angebracht. Sie benannte das Erbauungsdatum der ersten Hürbener Synagoge im Jahre 1675.

Beide Inschriften standen hier nicht zufällig. War doch die Ostseite der Hürbener Synagoge mit ihrer reichen Gliederung und ihrer ansprechenden Architektur die Prunk- und Schauseite des einst imposanten Gebäudes einerseits, andererseits aber auch, Dank des hier eingelassenen Brautsteines, würdige Kulisse bei Hochzeiten oder anderen jüdischen Feierlichkeiten. Der damals davor liegende, bis zur Augsburger Straße reichende Kastanienhain spendete zudem an heißen Sommertagen angenehme Kühlung. Die beiden Inschriften der Ostseite waren samt dem 1872 aufgesetzten Uhrenerker selbst von der Burgauer Straße aus gut lesbar und zeugten vom Selbstbewusstsein und Selbstverständnis der jüdischen Bevölkerung, aber auch von der Akzeptanz und Toleranz der christlichen Mitbürger Krumbach-Hürbens. Betrug der jüdische Bevölkerungsanteil Hürbens z. B. im Jahre 1840 immerhin fast 46% und hatte damit seinen Höchststand erreicht.

Inschriften an wichtigen, meist öffentlichen Gebäuden sind sicher nicht ungewöhnlich. Sie sind auf der ganzen Welt üblich und werden zu unterschiedlichen Zwecken angebracht.

Synagoge Hürben von innen ca. 1925 Original: Gratl Schwabe, New YorkUngewöhnlich wären somit die Inschriften an der Hürbener Synagoge auch nicht, wäre da nicht der Text aus der Bibel nach Jesaja 56 Vers 8:

"DIESES HAUS SOLL EIN GEBETSHAUS HEISSEN ALLEN VÖLKERN"

Ein Text von schlichter Aussage und Klarheit der keinerlei Zweifel und Unsicherheit über seine Bedeutung aufkommen lässt; ein Text verfasst vor dreitausend Jahren, angebracht an die Hürbener Synagoge irgendwann im 18ten Jahrhundert und heute so aktuell wie nie zuvor, angesichts von Globalisierung und Ökomene, aber auch von Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit bei uns.

Von alten Krumbachern und Hürbenern wird berichtet, dass zu der Zeit, als die jüdische Gemeinde von Krumbach-Hürben noch existierte, bis ins Jahr 1938 üblich war, die christliche Bevölkerung am so genannten „Langen Tag“ zum Gottesdienst in die Synagoge einzuladen. Dieser Einladung wurde seitens der Buben und Mädchen von Krumbach und Hürben, aber auch seitens der Erwachsenen gerne Folge geleistet; war man doch in der Schule, beim Spielen auf der Gasse, vor allem aber gesellschaftlich und wirtschaftlich eng miteinander verbunden, seit langem , eben seit 1504. Sicher war dieses Miteinander im Laufe der Jahrhunderte von vielen Höhen und Tiefen begleitet, was die zwischenmenschlichen Beziehungen anbelangt. Besonders schrecklich und unmenschlich aber waren die Vorkommnisse gegen die jüdischen Mitbürger von 1938 bis 1942 in unserer Stadt.

Tatsache aber ist auch, dass ehemalige jüdische Mitbürger unserer Stadt heute noch nach Krumbach bzw. nach Hürben kommen, oft trotz hohen Alters und trotz dem, was ihnen während des Dritten Reiches angetan wurde.

Das neue Denkmal, das am 17. Mai 2004 vom Heimatverein an die Stadt Krumbach übergeben wurde, soll an die verschwundene, einst blühende jüdische Gemeinde und ihre Synagoge erinnern. Gleichzeitig soll es aber auch die über 450 Jahre „normalen“ Zusammenlebens von Christen und Juden ins Gedächtnis zurückrufen, die für beide Bevölkerungsgruppen in unserer Stadt durchaus als fruchtbar und effizient bezeichnet werden können.

Das neue Denkmal am Synagogenplatz soll zudem und vor allem aber Ansporn sein, künftig mehr Toleranz zu zeigen gegenüber allen Völkern und Religionen überall auf der Welt, ganz im Sinne der Inschrift an der ehemaligen Synagoge von Krumbach-Hürben:

"DIESES HAUS SOLL EIN GEBETSHAUS HEISSEN ALLEN VÖLKERN"

1504 bis 2004 - 500 Jahre jüdische Kultur in Krumbach-Hürben

1504 – 2004
500 Jahre jüdisches Leben und Kultur in Krumbach-Hürben

1504
Erste Urkundliche Erwähnung von vier jüdischen Familien in Hürben bei Krumbach,

1518
Zuzug von vertriebenen Juden aus Donauwörth,

1540
Zuzug von sechs aus Neuburg a. d. Kammel vertriebenen jüdischen Familien,

1628
Errichtung des Jüdischen Friedhofes am Schelmenloh, Gemarkung Hürben,

1675
Errichtung der ersten Synagoge in Hüben,

1718
Zuzug vertriebener Juden aus Thannhausen,

1790
Errichtung einer jüdischen Schule,

1812
21 Judenhäuser in Hürben mit 291 jüd. Einwohnern,

1819
Neuerrichtung einer Synagoge nach Plänen des Maurermeisters J. N. Salzgeber aus Buch bei Illertissen,

1840
131 Familien (341 Männer, 311 Frauen), höchste erreichte Einwohnerzahl jüd. Glaubens in Hürben; ca. 46%. Beginn allgemeiner Abwanderung,

1855
Vier jüdische Vereine und vierzehn Stiftungen stellen den Antrag auf Anerkennung des wohltätigen Zweckes,

1866
Renovierung der Synagoge,

1872
Aufsatz des Uhrenerkers,

1875
Tod des letzten Rabbiners Hayum Schwarz,

1900
Tod des bedeutenden Kantors und Lehrers Isaak Lachmann in Hürben,

1908
Renovierung der Synagoge mit Freilegung der vormaligen Ornamentik durch den Krumbacher Malermeister J. Schnitzler,

1918
Hedwig Lachmann, eine der bedeutendsten Lyrikerinnen und Übersetzerinnen des deutschsprachigen Raumes stirbt am 21. Februar in Krumbach-Hürben,

1938
Schändung der Synagoge mit Bedrückung der jüd. Bevölkerung durch Männer der SA und SS aus Memmingen und Augsburg,

1939
Brandlegung der Synagoge,

1941
Abtransport der letzten 15 Juden aus Krumbach ins Vernichtungslager Piasky in Polen durch die NS,

1942
Restlicher Abtrag der ruinösen Synagoge durch Kriegsgefangene,

1971
Errichtung eines Gedenksteines auf dem Platz der ehem. Jüdischen Synagoge,

2003
Neugestaltung des Synagogenplatzes durch den Heimatverein für den ehem. Landkreis Krumbach e.V. und Errichtung eines neuen Denkmales zur Erinnerung an die einst blühende Jüdische Gemeinde von Krumbach-Hürben sowie deren Synagoge, mit Unterstützung der Stadt Krumbach.

2004
Übergabe der Anlage an die Stadt Krumbach am 7. Mai durch den HV unter seinem 1. Vorstand Michael Nagenrauft, stellvertretenden Vorstand Willy Fischer, Schriftführerin Karin Simnacher und Kassier Ludwig Kuhn.

Hürbener Synagoge Plan der Hübener Synagoge von Krumbach 1819

Ein Brand am Sonntagmorgen (Pressetext)

Brand am  SonntagmorgenKrumbach, 27. Nov. 1939: Am gestrigen Sonntagmorgen durcheilte gegen vier Uhr Feueralarm die schlafende Stadt. Das Gedäude der früheren Synagoge, das jetzt als Heulager verwendet wurde, stand in Flammen. Da die umliegenden Häuser stark gefährdet waren, musste die Freiwillige Feuerwehr Krumbach energisch eingreifen, um den durch 300 Zentner Presshen gespeisten Brand auf seinen Herd zu beschränken, was ihr glücklicherweise auch gelang. Die Synagoge brannte innen vollständig aus. Das Feuer zerstörte auch den Dachstuhl, der teilweise zusammenstürzte. Den sehr massiv gebauten Außenmauern konnte das Feuer nichts anhaben. Am Brandplatz waren Landrat Ludwig Nachreiner und Oberstaatsanwalt Riebermeier-Remmingen erschienen. Über die Brandursache bestehen zwar, wie von der Polizeibehörde erfahren, Verdachtsgründe auf Brandstiftung; sie bedürfen jedoch noch einwandfreier Aufklärung.

Johann Nep. Salzgeber, (1753 - 1841)
Maurermeister aus Buch

Ehem. Synagoge von AltenstadtJohann Nepomuk Salzgeber wurde am 5. Oktober 1753 in Buch bei Illertissen als Sohn des Jakob Salzgeber und seiner Ehefrau Maria Clara geboren. Als junger Mann erlernte er das Maurerhandwerk. Seine Ausbildung schloss er mit der Meisterprüfung ab und machte sich selbständig. Neben mehreren Neu- und Umbauten, auch im kirchlichen Bereich rund um Buch, plante und errichtete er im Jahre 1802 die Synagoge von Altenstadt und im Jahre 1819 die von Hürben bei Krumbach. Spätestens jetzt wird bewusst, dass J.N. Salzgeber nicht nur handwerkliches Geschick, sondern durchaus auch ausgeprägte schöpferische Fähigkeiten besaß, die seinen Namen mit anderen tüchtigen schwäbischen Baumeistern unserer Region nennen lässt, wie Johann Martin Krämer aus Edelstetten; Johann Kaspar Radmüller aus Thannhausen oder gar Josef Dossenberger aus Wettenhausen, wenngleich er dessen Kunstfertigkeit letztlich nicht erreicht. Ob. J. N. Salzgeber eine gestalterische Ausbildung genossen hat oder ob er sich die architektonischen Kenntnisse selbst aneignete, ist nicht bekannt. Bekannt dagegen ist, dass er sein Wissen bei all seinen Bauten sicher und wirkungsvoll einsetzte.
Leider existieren die Synagogen bei Altenstadt und in Hürben, seine wohl bedeutendsten Bauten, heute nicht mehr. Die von Hürben wurde nach dem Brand von 1939 im Jahre 1942 abgerissen. Die Synagoge von Altenstadt ereilte das Abbruchschicksal gar noch im Jahre 1955.

Videoanimation der Hürbener Synagoge von Ulrike Jakob
(Architekturbüro: Jakob-Architekten)


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