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1863-2003, 140 Jahre "Lindl-Kirche" in Krumbach

von Willi Fischer, Heimatverein Krumbach

Lindl-Kirche in Krumbach140 Jahre also ist es her, dass der Grundstein zur „Lindl-Kirche", heute Apostelkirche, in der damals noch selbständigen Landgemeinde Hürben bei Krumbach am 29. Oktober 1863 gelegt wurde, dem ersten Kirchenbau einer katholisch-apostolischen Gemeinde in Bayern, dem ersten Bau dieser Art in Deutschland. Im neugotischen, viktorianischen Stil errichtet, spiegelt er durchaus Art und Ursprung der christlichen Gesinnung ihrer Erbauer wider. Bescheiden, aber nicht schmucklos, steht das erst im Jahre 1871 fertiggestellte Gotteshaus etwas erhöht über der Ostseite der Burgauer Straße, in einer Reihe mit ehemaligen jüdischen Wohn- und Geschäftshäusern aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

1965, nachdem die katholisch-apostolische Gemeinde in Krumbach erloschen war, ging das Gebäude an die evangelisch-lutherische Gemeinde Krumbachs über, die es seither gerne für Gottesdienste nutzt, ganz im Sinne der Vorsteher der ehemaligen katholisch-apostolischen Gemeinde, die das Gebäude nicht als Museum oder Konzertraum genutzt wissen wollten.

Warum die heute evangelisch-lutherische Apostelkirche im Volksmund manchmal immer noch „Lindl-Kirche" genannt wird, ist nicht nachvollziehbar. Ein direkter Zusammenhang oder gar eine Zuwidmung zu Ignatz Lindl (1774 - 1845) kann nicht erkannt werden.

Katholisch - apostolisch, was ist das eigentlich?

Die Wurzeln der katholisch-apostolischen Gemeinden Deutschlands liegen in England. Dort hatte sich im ersten Drittel des 19. Jh. um den Bankier Henry Drummond und den protestantischen Prediger Edward Irving die Holy Catliolic Apostolic Church gebildet, eine Gemeinde, die sich ganz vom Heiligen Geist erfüllt glaubte und durch „Wiedererrichtung einer göttlichen Kirchenordnung" vor der nahen Wiederkunft des Herrn die gesamte Christenheit reformieren wollte. Insofern handelt es sich durchaus um eine frühe ökumenische Bewegung. In Anlehnung an Eph. 4,11 wurden die Amtsklassen des Apostels, des Propheten, des Evangelisten, Hirten und Lehrers geschaffen sowie die Amtsstufen des Engels (Bischof), Presbyters und Diakons. Die zwölf berufenen Apostel teilten die Welt zu Missionszwecken in Apostelbezirke ein und ihre Verkündigung trug alsbald Früchte. 1845 gab es die ersten katholisch-apostolischen Gemeinden in Hamburg. 1852 zählte die Glaubensgemeinschaft in Norddeutschland über 1000, in Süddeutschland über 400 Mitglieder, darunter fünf Priester des Bistums Augsburg, die allerdings exkommuniziert wurden, darunter Balthasar Fernsemer, Pfarrvikar in Dietershofen.

Das Leben der katholisch-apostolischen Gemeinden vereinigte ganz verschiedene Elemente: charismatische Glaubenszeugnisse ( geisterfüllte „Zungenrede" ), eine Lehre, die sich selbst im Raum des Protestantismus sah, sowie Kult und Riten, die sehr starke Anleihen beim Katholizismus nahmen: Eucharistie, Bußsakrament und Krankensalbung, ja selbst Tabernakel.

Ewiges Licht, Weihrauch und Weihwasser waren den katholisch-apostolischen. Christen vertraut. Eine Eigenheit bestand im Sakrament der „Versiegelung", das den Gläubigen im Alter von 20 Jahren statt der kath. Firmung oder der ev. Konfirmation gespendet wurde. Die z.B. gemäß röm.-kath. Amtsverständnis beanspruchte „Apostolische Sukzession" der Bischöfe (ungebrochene Traditionslinie zurück zu den Aposteln aus jesuanischer Zeit) lehnten die katholisch-apostolischen Christen ab. Ihnen galten ihre obersten Leiter als unmittelbar vom Hl. Geist eingesetzt. Aus diesem Grund sahen sie sich auch nicht im Stand neue Apostel zu berufen, als einige der ursprünglichen Amtsinhaber gestorben waren. Das führte 1862 zur Abspaltung der Neuapostolischen Kirche.

Der katholisch-apostolischen Gemeinde Hülbens wurden erst nach mehrfachen Eingaben der Exkommunizierten aus der Diözese Augsburg an den bay. König Maximilian II unter dem 28.03.1862 die Rechte einer Privat - Kirchengesellschaft eingeräumt und die Abhaltung von Gottesdiensten gestattet. Vorsteher der Gemeinde Hürben/Krumbach waren die „Engel" (Bischöfe) Philipp J. Spindler, Balthasar Fernsemer, Valentin Buschor und Daniel Rupflin.

Mit dem Tode des letzten Apostels Francis Valentine Woodhouse im Jahre 1901 war das dieser Kirche gegebene Muster im „Werk des Herrn" nach außen beendet. Es fanden keine Evangelistenvorträge mehr statt, es konnten keine Diener mehr ins Amt aufgenommen werden.

Balthasar Fernsemer (1814 - 1889) und das "Institut"

Balthasar FernsemerBalthasar Fernsemer wurde am 6.3.1814 in Hohenwart südlich von Landsberg in der Diözese Augsburg geboren. Gestorben ist er am 22.6.1889 in Krumbach. B. Fernsemer war von 1845 bis 1856 Pfarrvikar in Dietershofen bei Babenhausen. Im Heimatbuch von Dietershofen heißt es zu Balthasar Fernsemer: "Der Dietershofer Priester geriet in die Netze des Irvingianismus (Neuapostolische Gemeinde) [?]. Er war kein Freund der Muttergottes und spottete oft über Ausdrücke in der 'Lauretanischen Litanei', wie 'elfenbeinener Tum', 'goldenes Haus'."

Fernsemersche Höhere Töchterinstitut1856 wurde B. Fernsemer vom Augsburger Bischof exkommuniziert. Er ging nach Hürben, wo er Julie Heberle heiratete und mit ihr das „Fernsemersche Höhere Töchterinstitut" gründete.

1871 übersiedelte das Institut nach Krumbach, wo an der Mindelheimer Straße ein neues Gebäude samt Mädchenpensionat dafür errichtet worden war.

Mädchenpensionat und TöchterinstitutUnterrichtet wurden die Mädchen, die unterschiedlicher Religion und Konfession waren, in Deutsch (Literatur), Musik, Englisch, Französisch und Hauswirtschaft, ja sogar in Gymnastik und Hygiene. Das Haus erfreute sich zunehmender Beliebtheit, nicht zuletzt deshalb, weil die Mädchen, dank ihrer "Höheren Bildung", bessere Aufstiegs- und Heiratschancen hatten. 1902 wurde das Institut von den Maria-Ward-Schwestern aus Augsburg übernommen und bis 1968 als „Englisches Institut" geführt, zuletzt als Staatl. Realschule für Mädchen.

Lehrkräfte und Schülerinnen 1897ZUM ANDENKEN AN DIE INSTITUTSZEIT 1897: steht auf der Rückseite dieses Bildes. Aufgeführt sind auch die Namen der Lehrkräfte und Schülerinnen: Emma Rixner, Josefine Gerstorfer, Frl. Jessie Logan (Französisch- Lehrerin), Frau und Herr Direktor, Frl. Leidig (Musiklehrerin), Frl. Freddin Diez (Arbeitslehrerin), Jenny Bühler, Gertraud Witschen. Frida Florschütz, Berta Fernsemer, Frida Herz, Wilma Durst, Emma Vogel, Else Witschen, Auguste Herrmann, Frida Hermann. Klärchen Neuburger. Else Raab, Else Schmid, Mary Bürger, Martha Götz, Rose Guggenheimer, Frida Rupflin. Emma Ziegler, Klärchen Neuburger, Mina Klopfer und Alwine Hirsch.

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